Dieser Tage
  Sendungen     Print     Das Blaue     Werkstatt  
Und sonst so?
Allgemein:
Startseite
Termine
Sitemap
Kontakt
Lizenzen
AGB
Über Fietkau
Zum Verlag
Impressum

Deutschland, deine Schlupflöcher

Wie 2005 der Steuerschlupf aufkam


Jeder Tag mit „dieser Regierung“ war – folgte man denen, die 2005 auch regieren wollten – ein Tag mit Schlupflöchern. Vor allem für den Steuerschlupf. Also für den Schlupf der besser Verdienenden. Aber: Wo schlüpfen sie denn, wenn sie schlüpfen? Ich meine, man möchte das ja mal wissen: Wo schlupfen sie durch? Wo schlupfen sie hin? Von wo nach wo wird geschlupft? Und wenn nun zwei Parteien eine Regierung machen, was wird dabei aus den Schlupflöchern?

Ein Schlupfloch, dachte ich immer, ist der Teil am Pullover, durch den der Kopf durch muß, oder: ein Hosenbein ist ein Schlupfloch. Geht es denn überhaupt ohne? Kann man sie mir nichts dir nichts einfach stopfen, die Schlupflöcher? Ich meine, der Steuerzahler will sich doch aufhalten im Pullover, oder in der Hose.
Bis er sie freiwillig ablegt. Ohne Hilfe irgendeiner Regierung.

Also, ihr Schlüpferinnen und Schlüpfer, euer letztes Stündlein wird nun bald wohl geschlagen haben. Zieht euch warm an und seht gefaßt dem Endschlupf entgegen. Bei den anderen wird nicht mehr geschlüpft. Da bleibt ihr drin, da gibt’s kein Vertun oder Rauskommen. Da ist alles dicht, verrammelt und zugenäht. Da hat es sich ausgeschlupft.

Und doch wüßte man gern, was einen erwartet. Was hinter dem Schlupfloch käme, wenn man schlüpfen könnte. Einer soll ja mal sich begeistert auf die Schulter geklopft haben, damals, 1521 war das: Ich bin hindurch, ich bin hindurch, soll er triumphiert haben. Meinte er sein Schlupfloch? Gab`s die damals schon? Die Welt ist ja löcherig. Und wenn die Mütter den Kindern abverlangen „Du sollst mich nicht dauernd löchern“, dann könnten sie doch auch stopfen, was zu stopfen ist, wie die Regierung von der Reservebank. Die wissen doch auch, wie man das macht. An den Löchern sollt ihr sie erkennen. Die nehmen gleich weniger Steuern, die anderen, dann erübrigt sich das Schlüpfen. Dann bleiben die Rätsel, die schönen, ungelöst, weil nicht mehr geschlüpft wird.
Und niemand wird unsere Neugier stillen: Wer hat wen beim Schlüpfen huckepack? Schlüpfen denn die Verdiener, die bewußten, mit den Steuern? Oder Schlüpfen die Steuern mit den Verdienern? Wer geht ohne wen durch das Loch? Wer schlüpft also solo? Oder schlüpfen sie zusammen, treiben das Schlüpfen Hand in Hand? Dann müßte das Loch doch breiter sein, also eher ein normaler Durchgang und gar nicht mehr so schlüpfrig.

Was also kommt hinter dem Loch? Was geht der Welt verloren, wenn die Löcher gestopft sind. Deutschland ohne Schlupflöcher. Kaum auszumalen. Wenn den einen so viel durch die Löcher schlüpft, ist das Schlüpfen ja wohl gefragt und beliebt. So wäre es spannend, zu sehen, wie die anderen das Schlüpfen verhindern. Werden sie sich vor die Löcher stellen? Mit ausgebreiteten Armen?

Schlupflöcher dicht machen, ist ja ein wesentlicher Teil der Arbeit eines Kammerjägers. Vielleicht verbirgt sich hinter Wunsch und Versprechen, möglichst viele Schlupflöcher dicht zu machen, ein Programm zur Beschaffung von Arbeit. Brauchen wir mehr Leute zum Dichtmachen, also mehr Dichter, mehr Kammerjäger? Wollen wir das? Eine Förderung der Kopperation der Dichter und Kammerjäger? Oder lieber doch nicht? Sagen wir: rettet die Schlupflöcher? Dann müssen wir klären, wem sie denn eigentlich gehören, die Schlupflöcher, und ob man die Bürger verpflichten kann, jeden Erstbesten im Regierungsauftrag einfach so ans Schlupfloch zu lassen. Laßt sie uns doch, die Schlupflöcher. Wir werden auch euch mal schlüpfen lassen. Eigentum verpflichtet.

Am besten, wir werden sie vergesellschaften und herumreichen, unsere Schlupflöcher. Damit jeder mal rankommt, ans Schlupfloch. Wir heben sie auf und geben sie weiter. Wir bekommen eins zum Jubiläum und legen es zu den anderen. Und wo liegen diese anderen? Natürlich im Schlupfwinkel. Wo denn sonst? Eins aber, abschließend, steht nun wohl fest: Wir haben einen neuen Kandidaten. Wenn es wieder heißt: Was sind die schönsten deutschen Wörter, dann steht ganz oben auf der Liste unser geliebtes Schlupfloch.

Wolfgang Fietkau


Druckbare Version

Was heißt hier Bildung