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Wenn die Sprache nicht stimmt

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Heute gut und morgen besser schreiben



Wenn die Sprache nicht stimmt, dann ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist. Ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist, so kommen keine guten Werke zustande. Kommen keine guten Werke zustande, so gedeihen Kunst und Moral nicht. Gedeihen Kunst und Moral nicht, so trifft die Justiz nicht. Trifft die Justiz nicht, so weiß das Volk nicht, wohin Hand und Fuß setzen. Also dulde man keine Willkürlichkeit in den Worten. Das ist es, worauf es ankommt.

Konfuzius



1

Schreiben lernen dauert ein Leben lang.

Wer sensibel ist für Sprache, leidet mitunter beim Lesen. Es ist, als hätte der Schreiber einen üblen Mundgeruch.

Jeder muß nicht alles können. Manch einer spielt gut Klavier. Aber was hat der üben müssen. Wir Schreiber und Redigierer üben zu wenig. Beim Lesen eigener und fremder Texte, also auch der Zeitung, sollte es im Kopf öfter klingeln. Damit wir nicht abstumpfen für das, was uns täglich zugemutet wird. Es scheinen immer wieder dieselben wenigen Unarten zu sein. So fing ich an zu sammeln, weil ich mich der Illusion hingab, mit einer Sammlung der wiederkehrenden Unarten sei schnell viel zu erreichen. Leider eine Illusion. Es dauert und dauert.



2

Für wen ist so eine Werkstatt nützlich? Zuerst natürlich für mich. Ich hatte und habe aber auch mit Menschen zu tun, die sich als Autorinnen und Autoren, Redakteure und Redakteurinnen, Herausgeberinnen und Herausgeber verstehen. Wir können uns zum Üben und Sammeln anregen, wir können unsere Fundstücke austauschen.

Das berührt hierzulande ein Tabu: Üben und Sammeln darfst du nur heimlich. Das Weitergeben der Ergebnisse wird denunziert: Dogmatisch sei das, schulmeisterlich und verbohrt.

Wie aber soll unsere Sprache und – als Voraussetzung und Folge – unser Denken und Tun besser werden, wenn ich nicht, und sei es noch so ungeschickt, damit anfange. Nicht nur heimlich. Ich sage ja selten, was richtig und was falsch ist. Ich weise auf Unterschiede hin.
Hier erfährt also niemand, wie er schreiben oder welche Wörter sie verwenden oder meiden soll. Es kommt ja immer auf den Zweck an, den ein Text erfüllen soll. Wenn ich in einer Erzählung einem Gschaftlhuber das Wort gebe, dann spricht der auch von „Aktivitäten“ und von „Maßnahmen“, die er mit seinen Parteifreunden ergreifen oder gar „durchführen“ will. In eigenen Aussagen meide ich diese Begriffe, weil sie Kennzeichen für eine bestimmte Geisteshaltung sind, für Gedankenarmut oder einen politischen Dämmerzustand. Wer sich so charakterisieren möchte, freiwillig und ohne Not, der kann das ja. Durch Wortwahl und Satzbau machen wir deutlich, wer wir sind. Die Sprache verrät uns. Gnadenlos.



3

Der Zweck bestimmt die sprachlichen Mittel. Wenn ich durch einen Brief erreichen möchte, daß ein „Bediensteter“ die Hacken zusammenknallt, dann verwende ich Ausdrücke, die dem Wortschatz seiner Dienstvorschriften entstammen. Wenn ich mit einem Juristen verkehre, dann geht es kaum ohne das ihm vertraute „Gleichwohl“ ab. Im Brief an das Finanzamt steht irgendwo das „Mithin“. Manchmal plappere ich nur nach, was mir ein Amt schreibt. Wenn ich so einen Brief absende, ist mir bewußt: Die Empfänger merken wahrscheinlich nicht, daß ich sie auf den Arm nehme.

Die Grenze liegt da, wo ich einem menschenverachtenden Denken sprachlich folge oder den Schaum der Schaumschläger zu meiner Mitteilungsebene mache.

Es gibt eine Regel, die ein professionell schreibender Mensch anwendet: Er wählt, wo immer es geht, verbale und aktive Formen. Daran ist zu erkennen, wer vom Fach ist.

Selbst wer gelegentlich Lyrik zu beurteilen hat, muß nicht denken, das sei nun äußerst schwierig und den wenigen Spezialisten in den Lektoraten vorbehalten. Jene achtzig Prozent (oder sind es neunzig?) der Texte, die bloß gutgemeint sind, kann jeder rasch beiseitelegen: Man achte einfach darauf, ob Adjektive (der graue Nebel) und Genitive (die Hitze des Mittags) durchdacht oder „automatisch“ in den Text geraten sind. Dann ist vieles klar.

Wer nun sagt, einiges hiervon sei ihm oder ihr nicht einleuchtend, das ließe sich ja auch von Fall zu Fall entscheiden, dann danke ich ihnen, weil sie darüber nachgedacht haben. Und wenn ich sie ein bißchen unsicher machen kann, dann bin ich schon richtig zufrieden.


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