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Kleiner Poet, große Stimme

Ernesto Cardenal tourt durch Deutschland


Nächste Woche im Kesselhaus der Kulturbrauerei: Ein kleiner, weißbärtiger Poet trägt in klangvollem Spanisch seine Verse vor. Der 82jährige Ernesto Cardenal reist hierzulande durch neun Städte und trägt seine politisch-religiösen Gedichte vor, Lieder von der Liebe zu Gott und den Menschen. Er gilt als bedeutender Dichter der spanischsprechenden Welt. Durch das Neue Testament, sagt er, sei er zum Marxisten geworden. Da winken manche schon ab. Er hat nicht nur Freunde, sondern auch Gegner. Politik, Religion und Liebe bilden einen thematischen Dreiklang in seinem poetischen Werk.
 
Zunächst hat er Literatur studiert, später trat er in ein Kloster ein, mit 40 wurde er zum Priester geweiht. Bekannt geworden ist er durch seinen Einsatz für die arme Bevölkerung seines Landes Nicaragua. 1954 war er an der mißlungenen Revolution gegen den Diktator Somoza beteiligt. Als 25 Jahre später, im Sommer 1979, die Befreiung von der Zwangsherrschaft gelang, setzte ihn die sandinistische Befreiungsfront FSLN als Kulturminister ein. Da leistete er vor allem eine erfolgreiche Alphabetisierungsarbeit.

1967 erschien sein erstes Buch in Deutschland: „Zerschneide den Stacheldraht“. Eine ungewöhnliche Nachdichtung zu biblischen Psalmen. Seitdem konnten hier viele erleben, wie über seine Person viel von Lateinamerika hörbar, fühlbar wurde. 1980 erhielt Cardenal den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.

Er konnte sich schreibend gut in die Lage der Freunde versetzen, die hinter Stacheldraht saßen. Er klagte und betete an ihrer Stelle. So kam es, daß hier in seinen frühen Büchern und Artikeln stand, er sei im KZ gewesen. Das hat er 1972 klargestellt: Er ist beim Aufstand in den 50er Jahren, wenn auch geängstet und versteckt, mit heiler Haut davon gekommen. Aber viele seiner Freunde wurden eingesperrt, gefoltert, getötet.

Musikalisch begleiten ihn bei der Konzertlesung „Canto a la vida“ die sechs Musiker von „Grupo Sal“, einer Tübinger Gruppe, die seit 25 Jahren mit aufrüttelnden Programmen durch die Lande zieht. Die Hilfsorganisation „Pan y Arte“ (Brot und Kunst), gegründet vom Schauspieler Dietmar Schönherr, fördert die Tournee. Cardenal ist vieles in einer Person: eine Art Minnesänger, Botschafter, Theologe, Poet. Als ihn der Vatikan 1985 aufforderte, das Priesteramt wegen seiner politischen Arbeit aufzugeben, sagte er: Wird gemacht, wenn auch der Papst sich aus der Politik heraushält. Seitdem ist er als Priester suspendiert.

Wolfgang Fietkau




Ernesto Cardenal und Grupo Sal:
Canto a la vida
Lesung und Konzert. Mittwoch, 28. 2. 2007, 20 Uhr,
Kesselhaus, Kulturbrauerei, Knaackstraße 97, Prenzlauer Berg,


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Reinhard Henkys